Beim MDR1 Defekt (Multi-Drug-Resistance) handelt es sich um einen Gendefekt. Die Synthese des MDR1 Proteins (P-Glycoprotein), einem Transportprotein, ist dabei gestört. Das P-Glycoprotein sorgt als ein wichtiges Protein dafür, das schädliche Substanzen nicht in den Organismus gelangen.
So werden im Darm (Darmepithel) Xenobiotika (1*) zurück in das Darmlumen gepumpt, aus der Leber in die Gallengänge transportiert und aus den Nieren in die ableitenden Harnwege. Auch in den Endothelzellen (Auskleidung der Blutgefäße) ist dieses Protein zu finden und sorgt für einen Rücktransport toxischer Stoffe in den Blutkreislauf.
An der Grenze zwischen Blutgefäßen und dem Nervengewebe stellt der MDR1-Transporter in den Endothelzellen der Gehirnkapillaren an der sog. Blut-Hirn-Schranke eine Schutzbarriere für das Gehirn dar und verhindert normalerweise den Übertritt toxischer Substanzen. Ähnliche Barriereaufgaben übernimmt der MDR1-Transporter im Hoden und in der Plazenta.
Neben den betroffenen beschriebenen Organen limitiert das P-Glycoprotein den Transport der Hormone der Nebennierenrinde (Cortisol, Corticosteron) in das Gehirn und nimmt damit Einfluss auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. Bei Vorliegen eines MDR1 Defektes kann es zu einem erhöhten Übergang der Nebennierenrindenhormone in die übergeordneten Zentren kommen und somit zu erniedrigten Kortisolwerten. Betroffene Tiere zeigen eine erhöhte Stressanfälligkeit und evtl. eine herabgesetzte Schilddrüsenfunktion. Als weitere Folge wird zudem eine höhere Anfälligkeit für chronisch entzündliche Darmerkrankungen diskutiert.
Betroffen von diesem Gendefekt sind vor allem Hütehunde wie Collies, Border Collies, Australien Shepherds, Shetland Sheepdogs; aber auch Weiße Schäferhunde, Bobtails, einige Windhund Rassen und Mischlinge dieser Rassen können Träger sein.
Unterschieden werden 3 Genotypen:
MDR1 -/-
Mutter und Vater tragen dieses Gen (homozygot, reinerbig). Träger dieses Defektes haben eine ausgeprägte Empfindlichkeit gegen chemische Substanzen.
Dieser Defekt des MDR1-Protein führt dazu, dass Substanzen, wie z.B. das Antiparasitikum Ivermectin, ungehindert ins Nervengewebe übergehen und neurotoxische Schäden verursachen, die bis zum Tod führen können. Daher muss eine Vielzahl an Arzneistoffen zwingend gemieden werden.
Folgende Medikamente sorgen für Vergiftungen und dürfen nicht verabreicht werden
- Wurmmittel mit dem Wirkstoff Ivemectin (Ivomec, Dectomax). Auch die Aufnahme von Pferdeäpfeln von zuvor mit diesem Mittel entwurmter Pferde ist zwingend zu vermeiden
- Narkosemittel oder auch Schmerzmittel wie Fentanyl oder Butorphanol können zu schweren Narkosezwischenfällen und Vergiftungen führen
- Durchfallmittel mit dem Wirkstoff Loperamid (Imodium)
Folgende Medikamente sorgen für Überempfindlichkeiten, die Verabreichung sollte ausschließlich unter Nutzen-Risiko Abwägung erfolgen
- Antipilzmittel mit den Inhaltsstoffen Itraconazol oder Ketoconazol
- Herzmedikamente mit den Inhaltsstoffen Digoxin, Digitoxin
- Medikamente zur Krebsbehandlung (Vicristin, Doxyrubicin)
- Einige Antibiotikaarten (Erythromycin, Rifampicin, Levofloxacin)
- Medikamente gegen Magenübersäuerung (Cimetidin, Ranitidin)
- Immunsuppressiva wie Cyclosporin A, Tacrolismus
- Sedationsmittel mit Acepromacin
Diese Liste enthält die gängigsten Medikamente und ist nicht vollständig. Besitzer einer dieser Hunderassen oder deren Abkömmlinge sollten sich schnellstmöglich über einen Bluttest Gewissheit verschaffen, um Vergiftungen zu verhindern. Freiverkäufliche und apothekenpflichtige Medikamente sollten nur Anwendung finden, wenn vorher sorgfältig kontrolliert wurde, ob unverträgliche Substanzen enthalten sind.
MDR +/-
Nur ein Elternteil trägt den Gendefekt (heterozygot,
mischerbig)
Hunde, die nur ein betroffenes Gen tragen, zeigen kaum
Vergiftungserscheinungen, geben jedoch die defekte Erbanlage zu 50% an ihre
Nachkommen weiter. Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft können
Unverträglichkeiten auf einige Medikamente mit erhöhter Wahrscheinlichkeit
auftreten.
Genannte Medikamente sollten nur bei entsprechender Notwendigkeit und nur in der angegebenen Dosis und Darreichungsform verabreicht werden. Auf keinen Fall darf eine Überdosierung erfolgen.
MDR +/+
Mutter und Vater tragen ein funktionelles P-Glycoprotein, es liegt somit kein MDR1 Gendefekt vor. Die Nachkommen gelten als gesund und tragen auch kein erhöhtes Risiko bei Medikamentengaben.
Vor dem Hintergrund der negativen Folgen für Träger des MDR1 Gendefekts sollte bei der Zuchtauswahl entsprechend auf eine sinnvolle Selektion geachtet werden. Durch den konsequenten Ausschluss von MDR1 Gendefekt Trägern aus der Zucht kann langfristig erreicht werden, dass keine Welpen mit dem defekten MDR1-Transporter mehr geboren werden.
Wie lässt sich ein MDR1 Defekt feststellen?
Die Bestimmung erfolgt mittels einer eingesandten Blutprobe. Von einigen Laboratorien wird auch die Bestimmung über einen Tupfer-Abstrich der Backenschleimhaut angeboten. Das erste Diagnostikverfahren gilt als sicherster Nachweis.
MDR1 Defekt und CBD
Vor der Fütterung CBD-haltiger Produkte und CBD Öl bei Hunden mit dem MDR1 Gendefekt gibt es seitens einiger Hersteller und auch aus einschlägigen Foren Einwände. Sie warnen sogar vor der Verwendung.
Aktuell gibt es noch keine Studien, die ganz gezielt die Auswirkungen von CBD bei Hunden mit dem MDR1 Gendefekt untersuchen. Einen ersten Einblick gibt eine Studie an Mäusen aus dem Jahr 2016 (1), die darauf schließen lässt, dass CBD kein Substrat für das P-Glycoprotein ist und bei Fütterung dementsprechend frei von Komplikationen ist.
Jedoch ist bekannt, dass CBD die Blut-Hirn-Schranke problemlos überwinden kann, um sich mit dem Endocannabinoid-System des Körpers zu verknüpfen. Daher sind unerwünschte Wirkungen nicht vollends auszuschließen und eine Fütterung von CBD sollte vermieden werden, sofern bekannt ist, dass das MDR1 Gendefekt vorliegt.
[1] Brzozowska, N., Li, K. M., Wang, X. S., Booth, J., Stuart, J., McGregor, I. S., & Arnold, J. C. (2016). ABC transporters P-gp and Bcrp do not limit the brain uptake of the novel antipsychotic and anticonvulsant drug cannabidiol in mice. PeerJ, 4, e2081. https://doi.org/10.7717/peerj.2081
*1. Xenobiotika (griech.: dem Leben fremde Stoffe) sind chemische Stoffe, die nicht natürlich gebildet, sondern durch den Menschen synthetisiert werden und dem biologischen Stoffkreislauf fremd sind. Dazu gehören zum Beispiel Medikamente, Farbstoffe, Pestizide und chlorierte Lösungsmittel.